Verfassungsschützer Haldenwang sieht AfD „ungebremst rechtsaußen“ – aber so einfach ist es nicht

dpatopbilder - Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Foto: Kay Nietfeld/dpa

von KLAUS KELLE

BERLIN – Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang warnt kurz vor dem Weihnachtsfest mal wieder, dass die AfD „nahezu ungebremst in Richtung rechtsaußen“ rutsche. Vor dieser Gefahr warnen viele frühere AfD-Parteimitglieder und auch -Vorsitzende, die wegen ihren Erfahrungen mit dem real weiter existierenden „Flügel“-Netzwerk irgendwann aufgegeben und die Partei verlassen haben. Teilweise haben sie sich ihre Mehrheiten für Posten und Mandate vorher aber selbst durch Absprachen mit den Rechtsaußen gesichert. Und nicht wenige machen das heute noch.

Wer Goethes „Faust“ gelesen und verstanden hat, der weiß, wohin das führt, wenn man sich in die Hände der falschen Leute begibt.

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Das geht selten gut aus.

Es sei in diesem Jahr zu beobachten gewesen, «dass Rechtsextremisten wie Björn Höcke einen starken Einfluss auf die Partei bekommen haben», sagt Haldewang, dessen Problem ist, dass auch seine Reputation seit Amtsübernahme von Hans-Georg Maaßen bis heute stark ramponiert ist. Zu viel Nähe zur Regierung, zu unterwürfig gegenüber dem Kanzleramt, zu sehr den Blick nur in eine Richtung ausgerichtet. Ein Haldewang, der einem Bundeskanzler öffentlich widerspricht, wenn der (die) lügt? Unvorstellbar. Maaßen hat das damals getan in Chemnitz, es hat ihn seinen Job gekostet. Aber er tat damals das Richtige.

Björn Höcke als der große Strippenzieher im Hintergrund?

Richtig ist, dass der Thüringer Landeschef eine wichtige Triebfeder und Identifikationsfigur für die Nationalisten in der Partei ist. Ohne ihn wäre der Vormarsch der Rechtsaußen in den vergangenen Jahren kaum vorstellbar. Aber man sollte ihn auch nicht überschätzen. Beim Bundesparteitag im Juni wurden längst nicht alle seiner «völkisch geprägten Anträge» von den Delegierten beschlossen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft – eine Einschätzung, die rund ein Jahr später in erster Instanz durch das Verwaltungsgericht Köln bestätigt wurde. Die Partei setzt sich dagegen juristisch zur Wehr. Das Verfahren beim Oberverwaltungsgericht in Münster läuft noch.

Die AfD ist per se nicht rechtsextrem – aber gefährdet

Auch heute, auch nach den Austritten des früheren Vorsitzenden und Euorpabgeordneten Prof. Jörg Meuthen und der quirligen Bundestagsabgeordneten Joana Cotar, gibt es viele engagierte Abgeordnete, die Missstände klar benennen und kein Blatt vor den Mund nehmen. Deshalb ist es gut, dass die Partei im Bundestag und in den Landtagen teilweise sogar stark vertreten ist. Wer würde es wagen, die verhängnisvolle Flüchtlingspolitik oder dem Gender-Unsinn mutig entgegentreten, seit sich die CDU für ihre einstigen Kernthemen nicht mehr zu interessieren scheint?

Bei 15 Prozent liegt die AfD derzeit in den bundesweiten Meinungsumfragen. Ob das so bleibt erscheint zweifelhaft. Zu viele Negativnachrichten werden in immer kürzeren Abständen aus der Partei produziert.

Der nächste bitte – Yvo Teichmann verlässt Partei und AfD-Landtagsfraktion in Sachsen

Der direkt gewählte sächsische Landtagsabgeordnete Ivo Teichmann (55) schrieb gestern an den „lieben Jörg“ (Urban, Landes- und Fraktionschef der AfD in Sachsen), dass er acht Jahre nach seinem Eintritt in die Partei nicht mehr mag. In dem Schreiben, das TheGermanZ vorliegt, beklagt er, dass es der AfD nicht gelungen sei, eine „echte Alternative zur Politik der Altparteien“ zu werden. Er sehe seinen Standpunkt als freiheitlich und konservativ aber nicht als ideologisch und extremistisch. Die AfD, so Teichmann, grenze „sich viel zu wenig öffentlich von extremistischen Personen Vereinigungen oder Parteien , wie zum Beispiel den ‚Freien Sachsen’ab.“

„Begründete Kritik äußernde Mitglieder werden ausgegrenzt, Neid und Missgunst dominieren das interne Geschehen“, schreibt Teichmann an den „lieben Jörg“ und kündigt seinen Austritt aus der Partei, der Landtags- und der Kreistagsfraktion an. Er werde als fraktionsloser Abgeordneter weiter in der Sächsischen Schweiz seiner Verantwortung gerecht werden.

Weihnachtsfeier in Brandenburg

Mitte des Monats war bundesweit über die Weihnachtsfeier der Landtagsfraktion in Brandenburg berichtet worden. Die BILD fasste damals zusammen:

„Scherben, Schnaps und Essensreste: Mitarbeiter der Landtagsverwaltung trauten ihren Augen nicht, als sie am Donnerstagmorgen den AfD-Fraktionssaal betraten. Überall leere Flaschen, zersplitterte Gläser und schmutzige Teller mit abgenagten Gänseknochen.“

Doch Tage später wurde noch mehr bekannt.

Der frühere Landeschef und Rechtsaußen Andreas Kalbitz, der als Parteiloser in der Landtagsfraktion weiter mitläuft, sei zu später Stunde beim Gänseessen gegen eine AfD-Landtagskollegin ausfallend geworden, wird erzählt. Kalbitz, der sich gerade wegen Steuerhinterziehung in Cottbus verantworten musste und dem Vernehmen nach davon ausgehe, dass er bei den nächsten Landtagswahl auf AfD-Ticket einen sicheren Wahlkreis oder sogar Listenplatz 3 erhalten werde, habe – angeblich im alkoholisierten Zustand – behauptet, die Kollegin habe sich von einem Bundestagsabgeordneten „dick ficken lassen“, um versorgt zu werden.

Ob solcher Umgang zu weiter steigender Zustimmung in der Bevölkerung führen wird, erscheint zweifelhaft.

Bildquelle:

  • Thomas Haldenwang: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.