BRÜSSEL – Im Korruptionsskandal um das Europaparlament hat ein Verdächtiger in Untersuchungshaft ein Geständnis abgelegt. Die Europäische Staatsanwaltschaft beantragte, die Immunität der abgesetzten EU-Parlamentspräsidentin Eva Kaili aufzuheben. Zugleich kündigte die Präsidentin des Europaparlaments Roberta Metsola angesichts der jüngsten Enthüllungen umfassende Reformen für das kommende Jahr an.
Wie die Zeitungen «Le Soir» und «La Repubblica» unter Berufung auf Ermittlungsdokumente berichteten, gab Kailis Lebensgefährte in Verhören zu, Teil einer Organisation gewesen zu sein, über die Katar und auch Marokko sich in europäische Angelegenheiten einmischen wollten.
Wegen mutmaßlicher Korruption, Geldwäsche und Einflussnahme aus dem Ausland ermittelt die belgische Justiz seit Monaten im Umfeld des Europaparlaments. Seit Freitag wurden sechs Verdächtige festgenommen, von denen zwei wieder auf freiem Fuß sind. Der Termin der Haftprüfung für die Griechin Kaili wurde auf nächste Woche verschoben. Gegen sie ermittelt nun auch die griechische Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlicher Geldwäsche und Bestechung.
Wie die Europäische Staatsanwaltschaft mitteilte, besteht bei Kaili und einer weiteren Abgeordneten der Verdacht auf Betrug zum Nachteil des EU-Haushalts. Dabei gehe es um die «Verwaltung der parlamentarischen Vergütung und insbesondere die Vergütung der akkreditierten parlamentarischen Assistenten». Bei der zweiten Abgeordneten handele es sich um die griechische Christdemokratin Maria Spyraki (Nea Demokratia).
Spyraki teilte mit, sie habe nichts mit dem «Katargate» oder irgendeinem anderen Fall zu tun. Es gehe um die Vergütung eines ehemaligen Assistenten von ihr, «der ein ernsthaftes persönliches Problem hatte». Bis die Immunität der beiden aufgehoben wird, dürfte es noch eine Weile dauern. Letztlich entscheidet das Plenum des Europaparlaments darüber.
Vorwürfe gegen Ex-Parlamentarier aus Italien
Der nun geständige Lebensgefährte Kailis ist bislang Assistent im Büro eines italienischen Abgeordneten. Dem Bericht zufolge beschuldigte er in seiner Aussage den früheren Parlamentarier Antonio Panzeri aus Italien, Kopf der mutmaßlichen Organisation gewesen zu sein. Beide sitzen in Untersuchungshaft. Seine eigene Rolle sei gewesen, Bargeld zu verwalten, heißt es dem Bericht zufolge in der Aussage. Zwei Abgeordnete hätten von Panzeri Geld erhalten. Dessen Anwalt antwortete auf «Le Soir»-Anfrage, er verfüge nicht über diese Informationen.
«Le Soir» und «La Repubblica» berichten zudem, dass die Ermittlungen sich neben dem Golfstaat Katar auch auf Marokko richteten. Im Europäischen Haftbefehl, der vergangene Woche für Panzeris Frau und Tochter ausgestellt worden sei, werde auch das nordafrikanische Land verdächtigt, «bei Abgeordneten des Europäischen Parlaments zugunsten von Katar und Marokko gegen Bezahlung politisch interveniert zu haben». Auch der marokkanische Geheimdienst sei einbezogen gewesen.
Kampf gegen Korruption wird Chefsache
Angesichts dieser Vorwürfe versprach Parlamentspräsidentin Metsola lückenlose Aufklärung. «Ich werde diese Arbeit persönlich leiten», sagte sie. Im neuen Jahr solle ein umfassendes Reformpaket vorgelegt werden. Unter anderem soll es strengere Regeln für Organisationen und Vertreter von Drittstaaten geben, die sich mit Parlamentariern treffen wollen. Auch einen besseren Schutz für Whistleblower kündigte sie an.
«Es wird keine Straffreiheit geben. Es wird nichts unter den Teppich gekehrt. Es wird kein „business as usual“ geben», betonte Metsola. Die Vorwürfe seien ein Schlag gegen alles, woran man seit vielen Jahren gearbeitet habe. «Es braucht Jahre, um Vertrauen aufzubauen, und nur einen Moment, um es zu zerstören», sagte Metsola.
Auch das Parlament gab sich hinsichtlich einer Aufarbeitung entschlossen. So stimmten die Abgeordneten fast einstimmig dafür, das Lobbyregister auszubauen, ein Ethikgremium einzurichten und die gesamte Arbeit zu Katar einzustellen. Wenn die strafrechtlichen Ermittlungen vorbei seien, solle auch ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, hieß es in einer mit nur zwei Gegenstimmen verabschiedeten Resolution.
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- EU-Korruptionsskandal: dpa