Die Funklöcher in Deutschland schließen wird dauern

ARCHIV - Ein Mobilfunkmast im rheinland-pfälzischen Meisenheim. Foto: Andreas Arnold/dpa

von WOLF VON DEWITZ

BONN – Deutschlands Mobilfunk-Netzbetreiber sind beim Schließen von sogenannten weißen Flecken – also 4G-Funklöchern – spät dran. Wie aus einem Bericht der Bundesnetzagentur an ihren Beirat hervorgeht, wird voraussichtlich keiner der drei etablierten Betreiber eine entsprechende Ausbauauflage erfüllen.

In der Frequenzauktion von 2019 verpflichteten sich die Firmen dazu, bis Ende 2022 in 500 bisherigen «weißen Flecken» neue Funkstationen zu bauen. Dem Bericht zufolge ist Telefónica (O2) erst bei 45, die Telekom bei 28 und Vodafone bei 12. Die Firmen wollen sich gegenseitig Zugang verschaffen, sie sind für je ein Drittel der weißen Flecken zuständig.

Das Schreiben liegt der dpa vor, es dient als Diskussionsgrundlage für die Beiratssitzung am kommenden Montag. Die Gründe der Verzögerungen seien vielfältig, hieß es von der Netzagentur. «Hier ist im Einzelfall zu prüfen, welche Gründe für die Verzögerung angegeben werden und ob die Verzögerungen von den Netzbetreibern zu vertreten sind.» Weiße Flecken sind Gebiete, in denen weder 4G/LTE- noch 5G-Funksignale empfangen werden. Die Ausbauauflage besagt, dass auch dort ein Download in einem Tempo von 100 Megabit pro Sekunde möglich sein muss.

Auch eine Definitionsfrage

Streng genommen sind weiße Flecken nach Definition der Bundesbehörde keine Funklöcher, weil dort zumindest 2G-Telefoniesignale zu empfangen sind. Im datengetriebenen Internetzeitalter dürften viele Bundesbürger weiße Flecken aber wie ein Funkloch empfinden.

Nach Angaben auf der Webseite breitband-monitor.de gab es im Oktober auf 2,94 Prozent der Fläche Deutschlands weiße Flecken. Hinzu kommt noch eine Fläche von 18,56 Prozent mit «grauen Flecken», wo nur einer oder zwei der drei Netzbetreiber funken. Echte Funklöcher gibt es auf 0,32 Prozent der Fläche – dort ist nicht mal 2G zu empfangen.

Neben der Vorgabe für die weißen Flecken enthalten die Auktionsauflagen von 2019 die Verpflichtung, bis Ende 2022 in jedem Bundesland mindestens 98 Prozent der Haushalte mit einem Downloadspeed von mindestens 100 Megabit pro Sekunde abzudecken. «Telekom hat die Auflage bislang in 12 Bundesländern, Telefónica in fünf und Vodafone in 13 Bundesländern erfüllt», schreiben die Vertreter der Behörde und beziehen sich dabei auf Meldungen der Firmen, die bis Anfang November in Bonn eingingen.

Schafft Telefónica auch diese Auflage nicht? Wenn dem so wäre, würde sich gewissermaßen ein Versäumnis der Vergangenheit wiederholen: Bei Vorgaben, die mit der Versteigerung von 2015 verbunden waren, war Telefónica viel zu spät im Ziel.

Zahlen laut Telefónica veraltet

Telefónica gibt Entwarnung. Von der Firma heißt es, dass die im Netzagentur-Bericht enthaltenen Zahlen nicht den aktuellen Stand wiedergäben und dass man inzwischen viel weiter sei. Man liege nun schon in elf Bundesländern über der 98-Prozent-Marke, in den restlichen fünf werde die Vorgabe bis Jahresende eingehalten, teilt das Unternehmen mit. Der Ausbau komme sehr schnell voran.

An der Beiratssitzung am kommenden Montag will Firmenchef Markus Haas teilnehmen – dann hat er die Möglichkeit, einen Überblick über den aktuellen Ausbaustand zu geben und mögliche Bedenken auszuräumen. Auch Vertreter der anderen Netzbetreiber sind bei der Beiratssitzung.

Als Reaktion auf den Bericht der Bundesnetzagentur sagt die Technikchefin von Vodafone Deutschland, Tanja Richter: «Die Netze in Deutschland sind gut, aber noch nicht gut genug.» Man arbeitete «mit Hochdruck daran, das zu ändern». Wie O2 ist auch Vodafone zuversichtlich, bis zum Jahresende in jedem Bundesland mindestens 98 Prozent der Haushalte mit 100 Megabit pro Sekunde oder mehr zu versorgen und damit diese Ausbau-Pflicht zu erfüllen. Bei den weißen Flecken sieht das anders aus – hier dürften wohl auch Vodafone und die Telekom die Latte reißen.

Vodafone-Vorständin Richter sagt, die Erschließung dieser Gebiete gestalte sich «aufgrund von vielerorts langen Genehmigungsverfahren, der Suche nach neuen Standorten und vorbereitenden Planungsprozessen, die erst am Ende des vergangenen Jahres abgeschlossen wurden, schwierig». Dennoch betreibe man großen Aufwand, «um auch hier bis zum Jahresende spürbare Fortschritte zu erzielen».

Drei Mobilfunknetze in Deutschland

Telefónica-Deutschlandchef Haas sagt zu diesem Thema: «Die Errichtung neuer Standorte insbesondere in der Fläche erfordert einen langen zeitlichen Vorlauf.» Man setze «alles daran, auch diesen Teil der Versorgungsauflage bis Ende 2022 zu erfüllen». Dafür haben man auch zusätzliche Maßnahmen ergriffen wie etwa den Einsatz mobiler Standorte. Die Telekom teilt mit, dass sie die Anforderungen der Bundesnetzagentur auch dieses Mal erfüllen werde, «soweit es keine rechtlichen und tatsächlichen Hinderungsgründe für den Ausbau von einzelnen Standorten gibt».

Derzeit funken drei Mobilfunknetze in Deutschland, und zwar von der Telekom, von Vodafone und von Telefónica mit seiner Marke O2. Eigentlich sollte bis Jahresende ein viertes hinzukommen: Der Neueinsteiger 1&1 ersteigerte 2019 erstmals eigenes Spektrum, bis Ende dieses Jahres sollten 1000 5G-Standorte aktiviert werden. Doch wegen Verzögerungen bei einer beauftragten Infrastrukturfirma kann der Telekommunikationskonzern aus Montabaur (Rheinland-Pfalz) dieses Zwischenziel nach eigenem Bekunden erst im Sommer 2023 erreichen.

In dem Schreiben der Bundesnetzagentur fordert die Behörde die Netzbetreiber auf, für jeden verzögerten Standort eine detaillierte Dokumentation vorzulegen. «Dies soll eine Prüfung dahingehend ermöglichen, ob die Verzögerungen durch den jeweiligen Mobilfunknetzbetreiber oder Dritte zu vertreten sind.»

Die Behörde verweist zudem auf die Möglichkeit von Bußgeldern. Ob die Netzagentur aber wirklich dieses scharfe Schwert zücken würde, ist fraglich: Selbst bei den deutlichen Verfehlungen von O2 nach der Auktion von 2015 beließ es die Behörde bei Ermahnungen.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Maik Außendorf hält die Nichteinhaltung von Ausbauauflagen für «ein echtes Problem». Er will sich dafür einsetzen, dass die Bundesnetzagentur «hier ihre Instrumente wirksam einsetzt, um den Druck zu erhöhen».

Bildquelle:

  • Mobilfunkmast: dpa

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