77,5 Prozent für Laschet als Kanzlerkandidaten – nach einer Chaos-Sitzung im CDU-Vorstand

CDU-Chef Armin Laschet hat seine Partei in nicht für mögliche gehaltene Tiefen geführt. Aber ist es allein seine Schuld? Foto: Michael Kappeler/dpa

von KLAUS KELLE

BERLIN – Nach einer mehr als siebenstündigen Sitzung hat sich der CDU-Vorstand gegen 0.30 Uhr mit 31 zu 9 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten der Union bei der Bundestagswahl im September entschieden. Die Sitzung drohte zeitweise im Chaos zu versinken. So wurde zeitweise diskutiert, ob man nicht lieber heute auf einer Präsenzsitzung abstimmen sollte. Kreisvorsitzendenkonferenz, Vorstandsbeschluss? Und wenn, dürfen dann die Landesvorsitzenden und Vereinigungsvorsitzenden mit abstimmen, die während der ganzen Sitzung aktiv dabei waren? Oder folgt die Parteiregie Tricky Armin, was sie letztlich tat. Und dann streikte sogar zeitweise die Technik.

Armin Laschet wollte eigentlich eine Machtdemonstration in seiner Wagenburg herbeiführen, doch es wurde ein Desaster. Wenn man vorher noch unentschieden war, der gestrige Abend hat gezeigt, dass das nicht die Leute sein können, denen man Deutschland anvertrauen kann.

Die Basis der CDU steht ganz klar mit deutlicher Mehrheit hinter Markus Söder – selbst an Nord- und Ostseeküsten zieht man den forschen Bajuwaren inzwischen dem Rheinländer vor. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier hatte am Abend für hochgezogene Augenbrauen in der Runde gesorgt, als er zu recht darauf aufmerksam machte, dass man eine Entscheidung über den Spitzenkandidaten nicht gegen den ausdrücklichen Willen der Parteibasis treffen kann. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans sprach sich als West-MP eindeutig für Markus Söder aus, die deutliche Mehrheit der Ost-Landesverbände stehen hinter Söder, die Junge Union steht hinter Söder, Rheinland-Pfalz steht hinter Söder, am Vorabend hatte sich der mitgliederstarke Landesverband Niedersachsen mit großer Mehrheit für Söder ausgesprochen.

Und auf dieser Basis soll Armin Laschet die Union zum Wahlsieg führen? Das ist geradezu lächerlich.

„Die Würfel sind gefallen pro Armin Laschet“, behauptete einer der Moderatoren bei BILD TV nach der Wahl. Eine kühne Aussage, deren Bestand sich erst noch erweisen muss. Natürlich wird das Laschet-Lager jetzt bunte Luftballons aufsteigen lassen und dem neuen Helden an der Spitze huldigen. Aber es ist fraglich, ob die Basis der Partei sich wie schon bei der Wahl des Bundesvorsitzenden erneut einfach so brav fügt und Beifall klatscht. Eine Umfrage hat dieser Tage ergeben, dass bei einem Spitzenkandidaten Laschet die nächste Fraktion um bis zu 90 Abgeordnete schrumpfen könnte. Und wenn es um Mandate und politische Macht geht, können Parteifreunde manchmal ganz unentspannt sein.

Ruhe wird jetzt erste Bürgerpflicht sein in der CDU, doch es ist fraglich, ob das dieses Mal auch einfach so durchgewunken wird. Denn: die Kanzlerkandidatur ist mit der Vorstandsentscheidung noch nicht entschieden. Die CSU und Markus Söder haben nachher noch das Wort. Und die Parteibasis und all die Landesverbände, die Söder wollten. Und nacher tagt auch nocht die Bundestagsfraktion.

Bildquelle:

  • Armin Laschet: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.