BERLIN – Die SPD hat die Abgeordnetenhauswahl in Berlin gewonnen – und die Hauptstadt bekommt erstmals eine Regierende Bürgermeisterin. Laut dem vorläufigen amtlichen Ergebnis erreichte die Partei mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey 21,4 Prozent.
Die SPD landete damit vor den Grünen, die mit 18,9 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Berlin-Wahl erzielten. Die CDU erreichte 18,1 Prozent, die Linke kam auf 14,0 Prozent, die AfD erreichte 8,0 Prozent, die FDP 7,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag laut Landeswahlleitung bei 75,7 Prozent.
Gespräche mit vier Parteien
Die SPD will nun allen anderen Parteien im Parlament mit Ausnahme der AfD Sondierungsgespräche über die Bildung einer Koalition anbieten. Seine Partei wolle mögliche Schnittmengen mit Grünen, Linken, CDU und FDP ausloten, sagte Parteichef Raed Saleh. Er und Spitzenkandidatin Franziska Giffey wollten dem SPD-Landesvorstand einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten: «Wie es sich in einer Demokratie gehört.» Mit der AfD komme keine Zusammenarbeit in Frage.
Saleh legte sich nicht auf eine Koalitionsaussage fest. Der Partei gehe es darum, was der beste Weg für die Stadt sei. Die SPD wolle einen «linken, pragmatischen Kurs». «Wir wollen soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft und ökologische Nachhaltigkeit zusammendenken.»
Über das SPD-Wahlergebnis von 21,4 Prozent, das schlechteste für die Sozialdemokraten seit 1946, zeigte sich Saleh erfreut. Er erinnerte daran, dass die Partei noch im Vorjahr in Umfragen bei etwa 15 Prozent gelegen habe. «Dass wir nun stärkste Kraft geworden sind, ist großartig. Das ist eine zweite Chance für die SPD, die wir nun aber auch nutzen müssen.»
Pannen in Wahllokalen
Für Diskussionen sorgte die Abgeordnetenhauswahl wegen organisatorischer Probleme. Fehlende und vertauschte Stimmzettel und Probleme bei Nachlieferungen hatten zur Folge, dass einige Wähler lange warten mussten und ihre Stimme erst deutlich nach 18.00 Uhr abgaben. Gezählt wurde bis in die Morgenstunden.
Am Abend schien zunächst für die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch das Amt der Regierungschefin für ihre Partei in Reichweite. Dann aber schob sich im Lauf des Abends in Hochrechnungen die SPD mit Spitzenfrau Giffey nach vorn. Beide Parteien könnten wie bisher weiter miteinander und mit der Linken koalieren.
«Kopf-an-Kopf-Rennen»
«Wir haben hier ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und Grünen, das heißt, es gibt ein klares Votum für SPD und Grüne, damit müssen wir umgehen», sagte Giffey dem Sender Phoenix. Man werde im Falle des Wahlsieges auch mit allen anderen Parteien sprechen, aber der Wählerwille sei deutlich.
Grünen-Spitzenkandidatin Jarasch sagte demselben Sender, sie wolle an einem «progressiven Regierungsbündnis» mit SPD und Linken festhalten. «Wir haben in dieser rot-rot-grünen Koalition viele Dinge angefangen, die die Leute gut finden», sagte Jarasch. «Deswegen habe ich auch von Anfang an gesagt, dass ich diese progressive Koalition gerne fortsetzen möchte, aber eben unter grüner Führung.»
Denkbar waren aber auch andere Dreierbündnisse. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner sagte am Sonntagabend, seine Partei sei angetreten, um Rot-Rot-Grün zu beenden, und die Zahlen könnten das vielleicht auch noch hergeben. Die CDU erreichte aber wieder eines der schlechtesten Ergebnisse der Nachkriegszeit.
FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja bekräftigte die Bereitschaft, mit allen Parteien bis auf Linke und AfD zu sprechen. Deren Frontfrau Kristin Brinker betonte, im Wahlkampf hätten viele Bürger Interesse an den AfD-Themen gezeigt.
Superwahltag in Berlin
In der Hauptstadt war der Sonntag ein Superwahltag. Die Berliner konnten neben dem Abgeordnetenhaus auch den neuen Bundestag und zwölf neue Bezirksparlamente wählen. Topthemen im Wahlkampf waren Mieten und Wohnen, Verkehr, Klimaschutz, Bildung und Corona. Bei einem Volksentscheid ging es zudem darum, ob große Wohnungskonzerne enteignet werden sollen.
Wahlberechtigt waren in Berlin rund 2,45 Millionen Menschen. Doch lief bei der Stimmabgabe bei weitem nicht alles rund. Teils fehlten Wahlzettel. Der Berlin-Marathon sorgte für Verzögerungen. Teils bildeten sich lange Schlangen, Wartezeiten betrugen bis zu zwei Stunden. Einige Wahllokale blieben länger offen. Mancher stimmte noch ab, während im Fernsehen die Wahlprognosen liefen.
2016 hatte die SPD die Wahl zum Abgeordnetenhaus mit 21,6 Prozent der Zweitstimmen gewonnen – ihrem schlechtesten Ergebnis in Berlin seit 1946. Die CDU erreichte damals 17,6 Prozent. Die Linke kam vor fünf Jahren auf 15,6 Prozent, die Grünen auf 15,2 Prozent. Die AfD war mit 14,2 Prozent erstmals in das Abgeordnetenhaus eingezogen, die FDP schaffte 6,7 Prozent. Das Berliner Landesparlament besteht aus mindestens 130 Abgeordneten, zurzeit sind es aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten 160.
Bildquelle:
- Franziska Giffey: dpa