11. September 2001: Der Tag, an dem die Erde stillstand und der globale Krieg der Neuzeit begann

Das zweite Terrorflugzeug im Anflug auf das World Trade Center in New York.

von KLAUS KELLE

NEW YORK/WASHINGTON – Es gibt Tage im Leben, die vergisst man nie. Etwa den Tag der eigenen Hochzeit oder der Geburt eines eigenen Kindes. Den Todestag der Eltern, den ersten Arbeitstag, den 4:3-Sieg von Arminia Bielefeld gegen Borussia Dortmund nach einem 1:3-Rückstand zwölf Minuten vor Abpfiff im strömenden Regen. Wenn ich die Augen schließe und daran zurückdenke, dann spüre ich noch, wie die Regentropfen in dieser Nacht auf meinen Kopf prasselten und wie ich und meine Freunde von Kopf bis Fuß total durchnässt aber unbeschreiblich glücklich waren.

In der Politik ist es mit den Glücksmomenten deutlich schwieriger. Die Tage, die für immer in Erinnerung bleiben, sind meistens unglückliche, ja dramatische Tage, so wie die Anschläge gegen Oskar Lafontaine und Wolfgang Schäuble oder der Mordanschlag auf Johannes Paul II im Mai 1981 auf dem Petersplatz. Da fühlt es sich kurz an, als stehe die Welt einen Moment lang still. Und, ganz ehrlich: Als nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes die Nachricht im Autoradio kam, dass es in Moskau einen Putsch gegeben hat und Gorbatschow festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht worden war, führ ich rechts ran und mir kamen die Tränen.

Ein solcher Tag, den man nie vergisst, das ist natürlich auch der 11. September 2001, irgendwann um 16 Uhr herum. Ich saß im Großraumbüro der BILD in Essen-Kettwig, als auf den großen TV-Monitoren die CNN-Livebilder aus New York gezeigt wurden. Unsere Zeitung für den kommenden Tag war bereits weitgehend fertig, als das Inferno ausbrach. Wir alle in der NRW-Redaktion starrten gebannt auf die Bildschirme und waren sicher, dass da ein Trottel im Cockpit falsch abgebogen und versehentlich in einen Turm des World Trade Centers gecrasht war. Und während wir fachsimpelten, kam, fast unbemerkt, aus dem Hintergrund immer größer werdend ein weiteres Passagierflugzeug. Und dann ein gewaltiger Feuerball. Den weiteren Verlauf kennen Sie alle und werden wie ich diese Bilder niemals wieder aus dem Kopf bekommen.

Ich rief meine zukünftige Frau an, die in Düsseldorf an diesem Tag zum Schneider gefahren war, um ihr Hochzeitskleid abzuholen. Und dann meine allein lebende Mutter in Bad Salzuflen. „Mama, schalt den Fernseher ein!“, bellte ich aufgeregt in den Telefonhörer. Sie antwortete: „Welchen Sender?“ Und ich sagte: „Egal, irgendeinen.“ Dann legte ich auf.

Ich kann das gar nicht beschreiben, wie es sich anfühlt, aber ganz anders, als alles vorher. So, als wüsste man von einem Moment auf den anderen, dass sich jetzt alles verändert. So, als habe man gerade den Brief geöffnet mit dem Marschbefehl zum Einsatz in Stalingrad. Das war nicht „Star Wars“, was wir und die globale Fernseh-Gemeinschaft da live miterlebten. Das war real, echt, eine Zeitenwende. Der Tag, an dem für einen Moment die Zeit einfach stillstand.

20 Jahre ist das nun her, viel ist passiert. Neue Themen beanspruchen unsere Aufmerksamkeit. Ein sinnloser aber alternativloser Kriegseinsatz in Afghanistan. Ein völkerrechtswidriger Krieg gegen den Irak, den „arabischen Frühling“ und die Millionen zählenden Flüchtlinge, die Annexion der Krim, die weltweite Corona-Pandemie und ihre Folgen. Aber nichts fühlt sich so an wie 9/11, nichts beflügelt unsere Fantasie so sehr wie der Tag, an dem das unbesiegbar erscheinende Amerika kalt erwischt wurde und 3.000 Menschen einem beispiellosen Terroranschlag zum Opfer fielen.

Es war der Auftakt zu einer Serie von Terroranschlägen rund um den Erdball. Die Mörder: Wütende junge Männer, Anhänger des Islam, die uns alle und unsere Art zu leben verachten und hassen. Eine Blutspur zieht sich um die Welt, niemand ist sicher, viele Muslime sind Opfer dieser Irren, die „Allahu Akbar“ kreischen, wenn sie ohne Sinn und Verstand Unschuldige wahllos töten. In dieser Woche hat endlich nach sechs Jahren in Paris der Prozess gegen die Mörder des stundenlangen Terroranschlags am 13. November 2015 begonnen, bei dem 130 unschuldige Menschen abgeschlachtet und 350 teilweise schwer verletzt wurden. Allein 90 wurden im Musiktheater Bataclan abgeschlachtet, und die großen Medien haben es bis heute nicht gewagt, das im Detail zu berichten, was sich in diesem Gebäude damals abspielte und wie bestialisch die Opfer gequält und getötet wurden. Wer interne Berichte einsehen konnte, wird das, was dort beschrieben steht, niemals wieder vergessen. Erschießen? In die Luft sprengen? Vergessen Sie es, es war das unvorstellbare Grauen, was dort passiert ist. Und wer das gelesen hat, der weiß, mit was für Menschen wir es hier zu tun haben.

Ich habe Dokus gesehen und Bücher gelesen, natürlich auch den offiziellen Bericht der amerikanischen Regierung über die Anschläge vom 11. September. Ich war nach den Anschlägen auch in New York und bin natürlich zum Ground Zero gefahren, habe dort gestanden und für die Opfer gebetet. Für mich gibt es keinen Zweifel, wer diese Anschläge organisiert hat, dass die Täter fanatische Allah-Jünger waren und dass natürlich nicht Präsident George Bush jr. mit einem Joy-Stick vom Oval Office aus die Flugzeuge gesteuert hat. All diese Verschwörungstheorien zum 11. September sind bullshit. Sie enden abrupt in dem Moment, wo man die Frage nach dem Warum stellt. Warum sollte eine amerikanische Regierung Tausende Leute der eigenen Bevölkerung töten? Um einen Vorwand für einen Krieg zu haben? Totaler Nonsens, die Amis führen immer wieder Krieg, und sie brauchten noch nie einen plausiblen Vorwand, wenn sie es wollen.

Falls Sie etwas wirklich Gutes zum Thema lesen möchten, empfehle ich das Buch „Der Tod wird euch finden“ des Pulitzerpreisträgers Lawrence Wright, das die Vorgeschichte von 9/11 erzählt. Und ich empfehle Ihnen die frei anzuschauende TV-Doku „The man who knew“ auf PBS – hier in voller Länge. Eine atemberaubende Geschichte, viel mitreißender als jede Verschwörungstheorie. Über den FBI-Agent John O’Neill, der über viele Jahre in seiner Behörde vor der Gefahr einen Anschlags von Al Kaida gegen die USA warnte, und niemand wollte es hören. Frustriert kündigte er beim FBI und trat einen neuen Job an – am 1. September 2001 als Sicherheitschef beim World Trade Center in New York City. Am 11. September starb er in einem der zusammenstürzenden Türme und wurde selbst zum Opfer des gigantischen Angriffs, vor dem er selbst jahrelang immer und immer wieder gewarnt hatte. Eine unglaubliche Geschichte, aber sie ist leider war.

Bildquelle:

  • 11. September 2001_Terror: netflix

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.