Wie die Wüste für Carlo Carretto zum Ort der Gottesbegegnung wurde

von PETER WINNEMÖLLER

Es zog ihn dorthin, wo der Dornbusch brennt. Der Kleine Bruder Carlo Carretto verbrachte zehn Jahre seines Lebens in der Sahara. Das Leben mit seinen Brüdern dort prägte ihn tiefer als sein gesamtes Leben zuvor. In zahlreichen Büchern hat er die Menschen daran teilhaben lassen.

Es sah gar nicht danach aus, als stehe dem späteren Fratello Carlo eine Ordenslaufbahn bevor. Carlo Carretto wurde am 2. April 1910 in Alessandria in Italien geboren. In den 30er und 40er Jahren war er in der „Katholischen Aktion“engagiert. Von 1946 bis 1952 war er der Präsident der katholischen Jugend in Italien.

Nach einem Studium der Philosophie arbeitete er als Lehrer und später als Schulrat. Jede freie Minute gehörte allerdings der Kirche. Er pflegte gute Kontakte zu Bischöfen, Kardinälen und italienischen Politikern. Mit dem späteren Papst Giovanni Battista Monitini hat er regelmäßig korrespondiert. Bis 1954 war Carlo Carretto ein sehr aktiver katholischer Funktionär.

Für seine Freunde und Mitstreiter recht plötzlich und unerwartet bricht er mit 44 Jahren auf und tritt bei den Piccoli Fratelli di Charles de Foucauld ein. Das Noviziat des Ordens war El Abiodh in der algerischen Sahara.

Die Brüder verstehen sich in der Tradition der kontemplativen Orden, leben eine radikale Armut mitten in der Welt. In vielen Briefen erklärte er seinen Entschluß. Manche vermuteten eine Lebenskrise. Doch es war eine Lebensliebe, die ihm plötzlich und doch gar nicht so plötzlich eine neue Wendung für sein Leben gab. Die Wüste wurde für ihn zum Ort der Gottesbegegnung. Es ist ein Leben, das geprägt ist von Arbeit und Anbetung. In den Brüdern und in der Eucharistie fand er seinen Weg zu Christus wieder neu. Das Noviziat dauerte ein Jahr, doch Carlo blieb zehn Jahre in der Wüste. Es habe, so schreibt er später diese langen Jahre gebraucht, bis Gott mit dem Wüstensand den Unrat von seiner Seele geschrubbt hatte.

Nach dieser Zeit ging er zurück nach Italien. In Spello bei Assisi (Umbrien) baute er ein Meditationszentrum für seinen Orden auf. Er entfaltete eine umfangreiche Tätigkeit als Schriftsteller und hielt Vorträge auf der ganzen Welt. Seine berühmtesten Bücher sind wohl „Wo der Dornbusch brennt“ und „Gib mir deinen Glauben“. Letzteres enthält Betrachtungen über Maria. Carlo ist darin förmlich überwältigt von dem „Fiat“, das Maria bei der Verkündigung spricht. Es verändert ihr ganzes Leben. Bevor Maria das Kind in der Krippe zur Welt bringt, muß sie das Kind im Glauben zur Welt bringen. Carlo legt dar, daß genau dies unsere Aufgabe ist, Jesus im Glauben zur Welt zu bringen. Maria ist uns Beistand und Vorbild. Carlo Carretto empfand die Marienfrömmigkeit seiner Zeit recht verkitscht. Hier findet er zu einer neuen Nüchternheit und Klarheit in seiner Beziehung zu Maria.

In seinen Briefen aus der Wüste beschreibt er, wie er damit ringen musste, alles loszulassen, was er aus Italien mitgebracht hatte. Er hatte viele Bücher in die Wüste mitgenommen. Darin, so glaubte er, sei Gott zu finden. Sein Novizenmeister belehrt ihn eines besseren. Er lässt Carlo, den Professor, den Philosophen, harte körperliche Arbeit verrichten. Und wenn er abends mit letzter Kraft zur Anbetung in die Kapelle „kriechen mußte“, so schreibt er, war es ihm erst wirklich möglich, Gott zu begegnen. In der Stille der Wüste lernt Fratello Carlo, sich ganz Gott auszusetzen. Es kommt nicht auf das Tun an, sondern darauf, sich ganz Gott zur Verfügung zu stellen, so lautet seine Erkenntnis. Später in seinen Vorträgen sagt Carlo vor allem den jungen Menschen, daß die Stadt in der sie leben, ihre Wüste ist, in der sie Gott begegnen können.

Carlo Carretto verstarb am 4. Oktober 1988 in Spello im Kreise seiner Brüder. Für viele junge Menschen war er ein wichtiger geistlicher Lehrer.

Bildquelle:

  • Carlo_Carretto: isacem.it

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