Matthias Matussek: „Warum sollte die Christenheit mit einer Stimme sprechen?

Der katholische Publizist und Erfolgsbuch-Autor Matthias Matussek im Gespräch mit TheGermanZ über das anstehende Luther-Jubiläum:

Herr Matussek, im kommenden Jahr feiern die Christen in Deutschland 500 Jahre Reformation. Feiern das überhaupt alle Christen hierzulande?

Ich glaube nicht, weil die meisten Reformation mit Reformhaus verwechseln. Und wenn sie ihn feiern, den Donnerkerl Luther, dann tun sie es falsch. Sie säuseln. Sie unterschlagen den Glutkern des Glaubens. Für sie ist Luther eine Art Protestsong in Latschen. Und die Katholiken schließen sich ihnen an, in einer Ökumene der zeitgemäßen Trivialitäten.

Aber ist es nicht, wie letztens ein katholischer Pfarrer bei uns in der Sonntagspredigt sagte, „eine Schande, dass die Christenheit nach 500 Jahren noch immer nicht mit einer Stimme spricht?

Die Christenheit? Warum sollte die eigentlich mit einer Stimme sprechen? Sie ist eben durch die Reformation in tausende Stücke gesplittert, und derzeit kommt es eher darauf an, zu verhindern, dass sie nicht weitersplittert, dass wenigstens die una sancta catholica et apostolica zusammenbleibt, die Kirche, als älteste Institution der Welt.

Wenn Sie Luther und sein Werk betrachten, hat er für die Christen mit seiner Kritik an der einst real existierenden katholischen Kirche in der Summe mehr Gutes bewirkt? Oder ist die andauernde Spaltung der Christenheit das gravierende Ergebnis seines Tuns?

Beides, und das ist das Problem. Er hat ja nicht nur die Kirche gespalten, sondern Europa, ein erster deutscher Sonderweg in der Geschichte. Seine Christus-Zentriertheit, seine Glaubenstiefe: großartig! Seine tumbe deutsche Sturheit, seine Rücksichtslosigkeit: fürchterlich!

 Sie sind mit Leib und Seele Katholik. Wie schätzen Sie die Zukunftsfähigkeit der ökumenischen Bemühungen in Deutschland ein. Ist das Kirchenvolk auf evangelischer und katholischer Seite nicht schon viel weiter, als ihre geistlichen „Vorturner“?

Was die Ökumene angeht, haben Sie natürlich recht. Viele deutsche Katholiken sind, im Heimatland der Reformation, vom heimlichen Wunsch beseelt, protestantisch zu werden. Das geht von der Kritik am Papst über die am Zölibat bis zum Wunsch nach weiblichen Priestern.

Warum eigentlich nicht ein bisschen protestantischer werden?

Die Protestanten sind mir zu gewöhnlich, zu zeitgeistig, zu sehr von dieser Welt. Ich bewundere an der katholischen Kirche ihren selbstbewussten Gegentwurf, ihr eigenes Recht, ihre fromme Ideearchitektur. Das bezieht Baumeister wie Thomas von Aquin mit ein, den Matador religiöser Vernunft. Katholisch ist vernünftig.

In einem Beitrag für das Magazin „Focus“ setzen Sie noch einen drauf. Von allem, was Martin Luther verkündet und wofür er gekämpft habe, schrieben sie, sei „nur dieses bekenntnisfreie Gesäusel“ übrig geblieben, „diese Trivialitäten zum ‚Wort zum Sonntag‘, dieses Seid-nett-Zueinander, dieses kapitulierende Verbrüderungs-Wischiwaschi“.  Das klingt für uns nicht so, als hätten sie am brüderlichen Miteinander der Christenheit noch irgendwelches Interesse. Hätte Jesus gewollt, dass wir untereinander so übereinander reden?

Aber es ist doch so, selbst klugen Protestanten geht das auf den Wecker. Und da ich nicht Heiner Geißler bin, weiß ich nicht, was Jesus gesagt hätte. Ich habe den Verdacht, dass Geißler insgeheim auf einen Posten in der Dreifaltigkeit spekuliert. Fragt sich natürlich, wer da vor den anderen Platz macht.

Aber ernsthaft: Wenn Sie von Luther als einem „glühenden Kämpfer für seine Sache“ schreiben, dann klingt ja durchaus großer Respekt vor dessen Leistung durch. War Luther denn nun ein Segen für die Kirche Christi, oder steht die dauerhafte Spaltung der Kirche als entscheidend zu Buche?

Ja, Respekt und gleichzeitig Grauen. Er war ein kranker Mensch, seine körperlichen Beschwerden, ständige Schmerzen und Schwindelgefühle. Aber das Zittern vor dem Richter spürt man noch heute, gerade heute, wo es völlig verschwunden ist. Wenn man ihn ernst nimmt, viel ernster, als es dem heutigen Protestantismus gegeben ist, kann man seinen Glauben, seine Christus-Verfallenheit nur bewundern.

Sie üben eine harsche Kritik an Martin Luther. Aber letztlich wollte er doch nur die innere Offenheit eines Jeden für Gott, eine direkte Frömmigkeit ohne alle Vermittlung durch Priester oder Sakramente. Was ist daran schlecht? Oder anders gefragt: Kann nicht jeder direkt mit seinen Anliegen vor Gott treten?

Das tun wir in jedem Gebet, das ist doch in jedem Vaterunser enthalten, in jedem „aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund“ vor der Eucharistie. Aber ich kann nicht aus meiner Haut: das Heilige erfordert das Ritual, also das Vergegenwärtigen durch Handlungen und Gesten und Symbole. Man kann Gott nicht nahe kommen, wie wenn man an die Currywurst-Bude latscht. Dazu bedarf es der Vorbereitung, der Ehrfurcht. Gott ist nicht der Kumpel, sondern das Erhabene selbst. Die Priester sorgen dafür, dass wir bei aller Innigkeit die Ehrfurcht vor dem Sakralen nicht vergessen!

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Bildquelle:

  • Mattusek_Wartburg: matthias Matussek

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