BND-Chef: Putschversuch in der Türkei lieferte Vorwand für «Säuberungen»

BND-Präsident Bruno Kahl: «Der Putsch war wohl nur ein willkommener Vorwand.» Foto: Tobias Hase/Archiv

Berlin – BND-Präsident Bruno Kahl gießt in Zeiten deutsch-türkischer Spannungen Öl ins Feuer. In der Türkei wäre es auch ohne den Putschversuch vom Juli 2016 zu Massenentlassungen gekommen, sagte der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel».

«Was wir als Folge des Putsches gesehen haben, hätte sich – vielleicht nicht in der Tiefe und Radikalität – auch so ereignet. Der Putsch war wohl nur ein willkommener Vorwand.»

Die Türkei stimmt am 16. April über die Einführung eines Präsidialsystems ab, das Staatschef Recep Tayyip Erdogan noch mehr Macht verleihen würde. Der Wahlkampf türkischer Politiker in Deutschland für ein Ja beim Referendum hat zu einer schweren Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses geführt. Erdogan provozierte die deutsche Regierung zudem mit Nazi-Vergleichen.

Nach dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 hatte er «Säuberungen» im Staatsapparat angekündigt. Zehntausende Menschen haben seither ihren Job verloren. «Der Putschversuch war nicht staatlich initiiert», sagte Kahl. «Bereits vor dem 15. Juli hatte eine große Säuberungswelle der Regierung begonnen. Deshalb dachten Teile des Militärs, sie sollten schnell putschen, bevor es auch sie erwischt. Aber es war zu spät, und sie sind mit weggesäubert worden.»

Für den Putschversuch macht Erdogan die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen verantwortlich. Der Chef des Bundesnachrichtendienstes sieht das anders: «Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen», sagte er dem «Spiegel».

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) drohte türkischen Politikern nach den jüngsten Verbalattacken aus Ankara mit einem Auftrittsverbot, sollten sie sich in der Wortwahl vergreifen. «Wir haben sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass wir jederzeit alle notwendigen Maßnahmen ergreifen können und ergreifen werden, wenn sich Ankara nicht an die deutsche Rechtsordnung hält», sagte Gabriel dem «Spiegel».

Darüber hinaus erteilte Gabriel einer Beitrittsperspektive der Türkei zur EU eine klare Absage. «Von einer EU-Mitgliedschaft ist die Türkei heute weiter entfernt als je zuvor», sagte er.

In Frankfurt gingen am Samstag mehrere tausend Kurden aus ganz Deutschland unter dem dem Motto «Nein zur Diktatur – Ja zu Demokratie und Freiheit» auf die Straße. Ziel war eine zentrale Kundgebung zum kurdischen Neujahrsfest Newroz. Zentrale Themen waren die innenpolitische Entwicklung in der Türkei und das bevorstehende Referendum in der Türkei.

Demonstranten zeigten auch Fahnen mit dem Porträt Abdullah Öcalans, dem in der Türkei inhaftierten Anführer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Dies ist in Deutschland seit kurzem nicht mehr erlaubt. Die Polizei kündigte Videoaufnahmen an, nachdem sich Demonstranten weigerten, die Fahnen einzurollen. Erdogan hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kürzlich vorgeworfen, sie unterstütze Terroristen der PKK. Den in der Türkei inhaftierten «Welt»-Korrespondenten Deniz Yücel bezichtigte er, ein «Vertreter der PKK» zu sein.

Bildquelle:

  • Bruno Kahl: dpa

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