Betrachten wir Trumps Auftritt von gestern doch mal gelassen!

von KLAUS KELLE

Stellen wir uns doch einmal einen Moment vor, Barack Obama hätte gestern eine Pressekonferenz veranstaltet und dabei einen Reporter von FOX NEWS rüde abgebügelt, ihm gar verweigert, eine Frage stellen zu dürfen. Das mediale Establishment auch hierzulande wäre aus dem Häuschen gewesen. Journalisten hätten sich in ihren Redaktionen auf die Schenkel geklopft, wohlfeile Kommentare wären erschienen, warum man verstehen müsse, dass ein Heilsbringer und Friedensnobelpreisträger die jahrelange eher negativ gefärbte Berichterstattung gegen ihn nicht mehr hinnehmen wolle. Und nun habe er mal deutlich aber natürlich gewaltfrei reagiert. Auch Präsidenten sind ja schließlich nur Menschen…

So wäre es gelaufen, jede Wette. Warum sollte Obama nicht mal den Vertreter eines konservativen Senders, von dem er sich immer wieder unfair behandelt fühlt, übers Maul fahren? Aber wenn Zwei etwas Gleiches tun, wird es nicht automatisch gleich gewertet, denn heute Morgen überschlagen sich Korrespondenten und Kommentatoren, dass Trump es gewagt hat, dem renomierten und linksliberalen Sender CNN eine Frage abzuschlagen, der erst Stunden vorher die durch keinerlei harte Fakten belegte Geschichte über einen Trump, der vom russischen Geheimdienst kompromitiert wurde und erpressbar sei, gebracht hatte. So richtig ist das auch kein Qualitätsjournalismus, oder?

Natürlich schuldet ein Präsident der Vereinigten Staaten Medien Rede und Antwort. Natürlich hat er auch ein eigenes Interesse, den Bürgern und in diesem speziellen Fall der ganzen Welt, seine Politik zu erklären. Das geht nicht ohne die großen Medien und ohne den weltweit relevanten Fernsehsender CNN schon mal gar nicht. Aber noch mal zur Erinnerung: Trump ist zum Präsidenten gewählt worden, weil er anders ist oder scheint und weil er Dinge anders anfasst, auch mit einer gewissen Hemdsärmeligkeit. Das muss uns nicht gefallen, aber das ist auch nicht verboten. Ich fand seine gestrige Pressekonferenz über weiter Strecken professionall und smart, in anderen Teilen gewöhnungsbedürftig. Aber genau das sollten wir uns auch, uns zunächst einmal an den Mann und seine Art gewöhnen.

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.