Düsseldorf – Der Rücktritt Anette Schultners vom Amt der Bundessprecherin der Christen in der AfD und dann der Austritt aus der gerade so erfolgreichen rechtskonservativen Partei war ein schwerer Schlag für die bürgerlich-moderaten Mitglieder in der Partei. In TheGermanZ erklärt Schultner, was sie antreibt und wohin sie strebt…
Anette Schultner, Sie haben mit Ihrem Austritt bei der AfD auch Ihre Mitgliedschaft bei den „Christen in der AfD“ und als deren Bundesvorsitzende aufgegeben. Haben Christen in der noch jungen Partei keinen Platz mehr?
Mein politisches Ziel, daran habe ich nie Zweifel gelassen, war immer, dass es in diesem Land eine bürgerlich-konservative Volkspartei mit christlichem Stempel gibt. So lange ich Hoffnung hatte, dass die AfD diese Richtung wirklich würde repräsentieren können, habe ich mit anderen Mitstreitern um diese Positionierung der AfD gerungen. Im Ringen um die Ausrichtung sind ja auch für konservative Christen wichtige Überlegungen in das Parteiprogramm mit eingeflossen. So wichtig ein Programm ist, so wichtig ist aber auch anzuschauen, wer in einer Partei die Fäden zieht, wie diese Leute sich äußern und wo sie die Partei verorten wollen.
Hierbei entwickelt sich die AfD in eine Richtung, die ich weder mit meinen christlichen noch meinen bürgerlich-konservativen Vorstellungen ausreichend in Übereinstimmung bringen kann. Und ich sehe auch nicht mehr, dass die AfD da nochmal eine wirkliche Richtungskorrektur gelingt. So wie es aber Christen mit ähnlicher politischer Ausrichtung wie meiner in der Partei gab, die bereits vor mir die Hoffnung für eine wirklich bürgerlich-konservative AfD verloren hatten und gingen, gibt es auch jetzt solche, die um die Ausrichtung der AfD noch etwas ringen wollen. Dafür habe ich Respekt und mit keinem Gedanken könnte oder wollte ich diesen nun ehemaligen Mitstreitern das Christentum absprechen. Aber diejenigen müssen sich trotzdem in Ihrem Engagement immer wieder selbst prüfen, ob sie sich nicht doch mit der Zeit verbiegen lassen. Ob sie offen und aufrecht auch die Prinzipien ihres christlichen Glaubens in der Partei leben können und dabei angemessen Beteiligungsmöglichkeiten in der innerparteilichen Meinungsbildung vorfinden.
Das klingt sehr pessimistisch, was die Entwicklung der AfD anbetrifft. Aber sind sechs Millionen Wähler nicht ein Grund, alles zu versuchen, um innerhalb der Partei für einen gemäßigten Kurs zu streiten?
Ich glaube, dass ich in den viereinhalb Jahren meiner AfD-Mitgliedschaft das mir Mögliche versucht habe, um mit gleichgesinnten Mitstreitern einen verfestigten gemäßigten Kurs zu erreichen; es reicht dauerhaft nicht, wenn er nur partiell gelingt. Unter dem Gesichtspunkt eines gemäßigten bürgerlich-konservativen Kurses sehe ich in der AfD heute ein totes Pferd – und auf einem toten Pferd bleibe ich nicht sitzen.
Das bedeutet: Wieder einmal scheitert aus Ihrer Sicht ein Versuch, eine politische Kraft rechts der Union aufzubauen und zu etablieren?
Die Union hat in der letzten Legislaturperiode durch ihr Verhalten bei Themen wie der „Ehe für alle“ ihr letztes konservatives Tafelsilber verscherbelt. Ihr Auftreten war das einer Mitte-Links-Partei, man versucht das in der Union seit dem Bundestsgswahlkampf nur rethorisch zu verschleiern. Treueste Merkel-Unterstützer fanden und finden sich in großer Zahl jedoch gerade auch bei Rot-Grün. Rechts der Union – und zwar auch in einem ganz klar auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung orientierten Bereich – gab es reichlich Platz. Etwa die frühere Ausrichtung der CSU, bevor man sich dort daran gewöhnte, viel anzukündigen, aber wenig einzuhalten, wäre eine sinnvolle Aufstellung für die AfD gewesen. Nun gibt es zwar Funktionsträger in der AfD, die solch einen Kurs auch richtig fänden, aber die gehen neben dem aggressiver agierenden Höcke-Flügel unter. Oder, wenn sie nicht austreten, arrangieren sich auch viele eigentlich Gemäßigte mit der Zeit. Überaus bedauerlich! Man kann der AfD Wahlerfolge ja nicht absprechen. Aber sie steht nicht gut, wo sie jetzt steht. So klafft rechts neben der CDU also noch oder wieder eine Repräsentationslücke. Und in diese stößt nun „Die blaue Partei“.
Können Sie sich an irgendeine Abspaltung einer neuen Kraft erinnern, die Erfolg gehabt hat? Bernd Lucke ist ja noch nicht so lange her…
Bernd Luckes Weckruf-ALFA-LKR war in der Tat eine klassische Parteienabspaltung von der AfD. Ich hörte von ihnen durchaus einige gute Positionierungen zu EU und Euro. Aber das war es dann fast auch schon, oder? Viel zu schmalspurig und vor allem überwiegend an den Themen vorbei, die den Menschen in den letzten 2 Jahren wirklich unter den Nägeln brannten.
„Die Blaue Partei“ ist doch erkennbar nicht als AfD-Abspaltung konzipiert. Dies wird nur gerne unterstellt, um sie in einen Zusammenhang mit der LKR zu bringen.
Die Blaue Partei wird in der Ausrichtung am ehesten mit der CSU vergleichbar sein. Allerdings wird es die Blauen bundesweit geben. Und politisch konsequenter! Wir werden mittels des Bürgerforums Blaue Wende als Vorfeldorganisation die Konservativen bis Liberal-Konservativen, die von verschiedenen Parteien im Stich gelassen wurden, ansprechen. Mit ihnen in den Dialog gehen, im Sinne eines neuen konservativen Aufbruchs Synergien suchen. Hiervon wird sich auch das eine oder andere AfD-Mitglied angesprochen fühlen und als gemäßigter Mitstreiter willkommen sein. Aber dieses ist nicht die anvisierte Kerngruppe. Es geht um eine breite, gesellschaftspolitisch konservative und wirtschaftsliberale Sammlung!
Was sind Themen, die Ihrer Meinung nach zu wenig in der öffentlichen Diskussion in Deutschland beachtet werden?
Da gibt es einige, gerade auch unter den ethischen Fragen. Wenn ich mir das unfassbare Ausmaß weltweiter Christenverfolgung ansehe, ist es ein Skandal, wie wenig darüber offen gesprochen wird. Oder nehmen Sie zum Beispiel das Thema Lebensrecht. Da können wir uns doch mit der derzeitigen Lage von über 100.000 Abtreibungen jährlich nicht abfinden. Ich will, dass wir der Menschenwürde auch des ganz kleinen ungeborenen Kindes endlich wieder mehr Rechnung tragen. Es muss das Bewusstsein dafür wieder hergestellt werden, was bei Abtreibungen wirklich geschieht. Deswegen bin ich für eine Bestattungspflicht für diese Kinder auch in sehr frühem vorgeburtlichen Stadium.
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